VAN DER VALK
Extended English version
Was spricht für Van der Valk? Keine Action, keine großartigen plots? Die eingängige Titelmusik Eye Level, die in die Hitparade stürmte? Ganz einfach, ähnlich wie bei Simenon oder Reinecker sind es die menschlichen Schicksale und Abgründe, die bewegen. Natürlich ist es auch hier wieder die typisch britische Darreichungsform, sprich eindrucksvolle Darstellerleistungen, die die Serie bemerkenswert macht.
Die Hauptfigur wurde ca. 1960 erschaffen von Nicolas Freeling. Die Serie übernahm allerdings keinen von Freelings Stoffen, von Beginn an wurden nur Originaldrehbücher verwertet. Die Gründe dafür sind unbekannt. Compart weist darauf hin, daß Van der Valk im elften Roman das Zeitliche segnet, also lange bevor Colin Dexter auf die Idee kam, Entsprechendes mit seiner Hauptfigur zu veranstalten.
Im DDR-Fernsehen liefen mindestens 12 Folgen, das ZDF brachte es in den Jahren 1979/80 auf 20. Natürlich befand man es wieder für erklärungsbedürftig, daß Van der Valks Frau Arlette von zwei verschiedenen Darstellerinnen, Susan Travers und Joanna Dunham, gespielt wurde und sendete kurzerhand die Folge A Death By the Sea, in der Dunham die Französin Lucienne spielt, unmittelbar vor der Euston-Staffel, in der sie als Arlette zu sehen war. In der Deutschen Fassung läßt sich Van der Valk offenbar von Arlette scheiden und heiratet Lucienne! Ein weiterer Unterschied: in der deutschen Fassung der Euston-Staffel gibt es keine Teaser, diese werden als erste Sequenz nach der Titelmusik integriert.
Van der Valk wurde seinerzeit als Langweiler beschimpft und von den bewährten Streets of San Francisco ersetzt. Daß Van der Valk "abgesetzt" wurde, erscheint nicht wahrscheinlich. Eher hatte das ZDF ursprünglich nur 20 Folgen (statt 25) erworben. ZDF-Kost waren damals Maigret, Derrick und Der Alte – in diese Landschaft paßte Van der Valk eigentlich sehr gut. Gemeinsamkeiten liegen in einer gewissen gemächlichen Art, mit der die Ermittler vorgehen, sowie in der Zentrierung der Geschichten um tragische oder zumindest dramatische menschliche Schicksale.
An den Hauptdarstellern scheiden sich wohl die Geister. Ob man Foster als bildfüllend oder ausgesucht uncharismatisch, Latimer als Inbegriff des sympathischen sidekick oder als second rate heartthrob bezeichnet, ist letztlich Geschmackssache. Latimer ist heute Schauspiellehrer in London, und an fragt sich unwillkürlich, ob seine Schüler wohl mit seiner einzigen Spielfilmhauptrolle, Moon in Man of Violence des exploitation-Spezialisten Pete Walker, vertraut sind. Foster wiederum ist natürlich unvergessen als Krawattenmörder in Hitchcocks vorletztem Film Frenzy, entstanden kurz vor der ersten Van der Valk-Staffel.
Die ersten zwei Staffeln waren noch VTR-Produktionen, zum Großteil gedreht in den Teddington Studios, bei der dritten sprang Euston Films wieder auf einen fahrenden Zug, ähnlich wie bei Special Branch, und produzierte 12 Folgen auf 16mm-Film. Bei allen drei Staffeln war Lloyd Shirley Executive Producer, erst für Thames Television, dann als Chef von Euston Films.
Van der Valk frißt und raucht und säuft, ein titelgebendes Charakteristikum in der Pilotfolge und, wie der Hauptdarsteller angibt, durchaus im Einklang mit seinen persönlichen Vorlieben. Er benutzt seine brav am Herd stehende und Klamotten kaufende Frau als Kummerkasten. Er macht Verdächtige ebenso an wie seinen Assistenten Kroon – Spuren von Jack Regan und einer 70er-Jahre-typischen konservativen Rollenverteilung der Geschlechter. Hierzu paßt auch sein Ruf als rule breaker, den er bei Oberkommissar Samson (erst gespielt von Martin Wyldeck, dann von dem etwas blassen Nigel Stock) genießt und ausspielt.
One Herring's Not Enough ist ein adäquater Beginn. Im wesentlichen ein Drei-Personen-Kammerspiel, tastet sich diese sehr bedächtig erzählte Geschichte an eine ebenso einfache wie verblüffende Auflösung heran. Charakterisierung wird ganz groß geschrieben. Destroying Angel lebt von der ambitionierten Regie Graham Evans', der erkennbar bemüht ist, aus jeder Szene das Maximum herauszuholen. Ähnlich gelungen war Marc Millers (Produzent von The Hanged Man) Blue Notes. The Adventurer wartet mit einem Knalleffekt auf und gewinnt mit mehrmaligem Ansehen. Oft ging es um Verbrechen, deren Motive tief in die Vergangenheit zurückreichten.
Abb. NN: "What do you think this is? The Gestapo?"
Der Soundtrack von Elected Silence enthält Fireball und Demon's Eye von Deep Purple. In Rich Man, Poor Man bewegt sich der Commissaris auf dem schmalen Grat zwischen Pflichterfüllung und ausgelebter Ausländerfeindlichkeit. Diese vom ZDF unberücksichtigte Geschichte ist fesselnd, schauspielerisch über dem Durchschnitt und letztlich sogar politisch korrekt. Wo ist also das Problem?
Die dritte Van der Valk-Staffel ist das einzige Euston-Projekt, das die Firma (und nicht nur die) als mißglückt bezeichnet. Ihre Entstehung stand im Zeichen gewerkschaftlicher Unruhe und wurde dreieinhalb Wochen später als geplant begonnen. Die Drehzeit betrug ein halbes Jahr; es wurde im Wechsel zwei Woche(n) in England und in Amsterdam gedreht. Konkret: die Dreharbeiten für Folge 1 beginnen in London, nach einer Woche ziehen Crew und Darsteller um nach Amsterdam. Wiederum nach einer Woche können Gaststars und Regisseur zurück nach England, während der Rest der Crew und die Hauptdarsteller mit neuem Regisseur und neuen Gaststars Folge 2 beginnen, etc. Für eine Folge werden 6 Wochen benötigt: je zwei Wochen Pre-Production, Dreharbeiten und Post Production. Die Drehbücher wurden als 'dünn' kritisiert (Halliwell). Dies wurde vom Publikum nicht geteilt, dennoch wurde, auch zur Enttäuschung Fosters, keine weitere Staffel gedreht.
Enemy war für Van Der Valk-Verhältnisse recht action-lastig und sollte als Opener dem Publikum wohl eine neue Richtung vormachen. Aber, alles Lüge, die übrigen Folgen zeigten Foster gemütlich wie eh und jeh, ausgenommen vielleicht noch die spannende Folge Everybody Does It, in der der Kommissar undercover auf die Jagd nach Pelzdieben geht. Dead on Arrival führte Van der Valk und seine Frau nach London. Unnötig schwächelnd kommt The Runt daher – die Handlung läßt seltsam kalt. Gold-plated delinquents und Man of Iron widmeten sich dem Thema Jugendkriminalität und sind daher thematisch am reizvollsten.
Störend an der Synchronfassung ist, daß man sich nicht um die korrekte Aussprache niederländischer Namen schert. Vor wie hinter der Kamera finden sich viele illustre Namen, wie die folgende Tabelle ausweist.
| Hauptrolle | Buch | Regie |
One Herring's Not Enough |
Clifford Rose |
Michael Chapman |
Dennis Vance |
Destroying Angel |
James Cairncross |
Michael Chapman |
Graham Evans |
Blue Notes |
Geoffrey Bayldon |
Geoffrey Gilbert |
Marc Miller |
Elected Silence |
Michael Sheard |
Geoffrey Gilbert |
Douglas Camfield |
Thicker Than Water |
Michael Lees |
Geoffrey Gilbert |
David Wickes |
The Adventurer |
Paul Eddington |
Michael Chapman |
Peter Duguid |
A Death By the Sea |
Patrick Allen |
Philip Broadley |
Don Leaver |
A Man of No Importance |
Karin Fernald |
Arden Winch |
Douglas Camfield |
A Rose from Mr Reinhardt |
Dennis Lill |
Peter Yeldham |
Mike Vardy |
A Dangerous Point of View |
John Quarmby |
Jeremy Paul |
Jim Goddard |
Season for Love |
Lisa Daniely |
Philip Broadley |
Mike Vardy |
Rich Man, Poor Man |
Roy Boyd |
David Butler |
Douglas Camfield |
The Rainbow Ends Here |
Lalla Ward |
Philip Broadley |
Graham Evans |
Enemy |
Jim Norton |
Paul Wheeler |
Mike Vardy |
Accidental |
Patrick Troughton |
Ted Childs |
Tom Clegg |
The Runt |
Richard Pasco |
Leslie Sands |
Mike Vardy |
Wolf |
James Grout |
Philip Broadley |
Mike Vardy |
Man of Iron |
Morris Perry |
Michael Chapman |
William Brayne |
Everybody Does It |
Maurice Colbourne |
Philip Broadley |
Ben Bolt |
Face Value |
Clifford Rose |
Robert Wales |
Mike Vardy |
Dead on Arrival |
Bob Hoskins |
Patrick O'Brien |
Ted Childs |
The Professor |
Michelle Newell |
Roger Marshall |
Ted Childs |
In Hazard |
Jan Harvey |
Paul Wheeler |
William Brayne |
Gold-Plated Delinquents |
Ian Hendry |
Roger Marshall |
Tom Clegg |
Diane |
Jane Merrow |
Philip Broadley |
Mike Vardy |
Die Produzenten Lloyd Shirley, Michael Chapman, Geoffrey Gilbert und Robert Love gehören zu den fleißigsten des englischen Fernsehens. Vor und nach Van der Valk erschufen sie eine Detektivserie nach der anderen, zumeist für Thames Television oder Euston Films. Hier eine Übersicht, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt:
- The Protectors I, 1964, p Michael Chapman
- Undermind, 1965, p Michael Chapman, sce Robert Banks Stewart
- Public Eye, 1965-75, p Michael Chapman (S3-7, + ste S5-6), Kim Mills (S4-5), Robert Love (S6)
- The Mind of Mr JD Reeder, p Kim Mills (S1), Robert Love (S2), ep Lloyd Shirley
- Special Branch (siehe separater Eintrag)
- Life and Death of Penelope, 1976, p Michael Chapman
- Taggart, 1983-, p Robert Love
- The Bill, 1984-, p Michael Chapman (S1), sce John Kershaw (S1), ep Lloyd Shirley (1984-7)
- Mr Palfrey of Westminster, 1985, p Michael Chapman, ep Lloyd Shirley
- Ladies in Charge, 1986, ep Lloyd Shirley
- Pretorius, 1987, cr/w Michael Chapman, ep Lloyd Shirley/Brian Walcroft
Anfang der 90er wurde Van der Valk noch einmal entmottet und ordentlich aufgemotzt (ep Lloyd Shirley/Brian Walcroft), im Zuge des immensen Erfolges von gepflegten Detetivserien wie Inspector Morse in aller Welt. Langsam und gepflegt, im Morse-Stil halt, ging es zur Sache. Richard Huw spielte Van der Valks Sohn, ganz offensichtlich eine Konzession an jüngere Zuschauer. Die Hauptfigur präsentierte sich nicht nur deutlich gealtert, sondern auch weniger aggressiv und aufbrausend, geradezu zahm. Die charakteristische Bissigkeit im Dialog wurde durch sparsam eingestreuten geschmackvollen Humor ersetzt. Professionelle Auto-Stunts, einmal mehr durchgeführt von Peter Brayham und Frank Henson (Proof of Life), sorgten für zusätzliches Sehvergnügen. Im Unterschied zu den 70er Jahren, als gewerkschaftliche Vorschriften dies nicht gestatteten, bestand das Filmteam zu einem großen Teil aus Niederländern.
Doctor Hoffman's Children ist Fernsehen für die 90er. Ein Serienmörder, Hausbesetzer, neue Verteilung der Geschlechterrollen und ein anspruchsvolles Buch gesellen sich zu bekannten Tugenden: starke Darsteller (man beachte die Interaktion zwischen Foster und Bell, in einer sehr kleinen Rolle), Dialoglastigkeit, ein Verbrechen in der Vergangenheit und seine Auswirkungen auf die Gegenwart. Präzise eingesetzte, unheilsschwangere incidental music hebt das Ganze in eine andere Liga.
| Buch | Regie |
Doctor Hoffman's Children |
Jonathan Hales |
Anthony Simmons |
Dangerous Games |
Don Shaw |
Jim Goddard |
A Sudden Silence |
Keith Dewhurst |
Herbert Wise |
The Little Rascals |
Peter Buckman |
Alan Cooke |
The Ties That Bind |
Kenneth Ware |
Anthony Simmons |
Proof of Life |
Keith Dewhurst |
Tom Clegg |
Still Waters |
Stuart Hepburn |
Herbert Wise |
Literatur:
Manuel Alvarado/John Stewart: Made For Television. Euston Films. London, BFI 1985
Van der Valk Annual. Brown Watson 1978
Dave Rogers: The ITV Encyclopedia of Adventure, London 1988
Jovan Evermann: Der Serien-Guide, Berlin 1998
Video/DVD:
Van der Valk: The Complete Series (Network DVD)
Box set Series 1 and 2 (Clear Vision)
One Herring's Not Enough/Destroying Angel (The Video Collection, deleted)
The Adventurer/Thicker Than Water (Video Gems, deleted)
Special thanks to JAMES WILLIS for providing the original viewing material.
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